Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) by Buchholz Simone

Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) by Buchholz Simone

Autor:Buchholz, Simone [Buchholz, Simone]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426415801
Herausgeber: Verlagsgruppe Droemer Knaur
veröffentlicht: 2012-09-25T22:00:00+00:00


27. Dezember:

An die Liebe glauben ist gar nicht so einfach

Für mich ist es immer wieder ein Segen, dass Carla ihr Café schon morgens um acht aufschließt.

Wenn ich zum Beispiel kurz nach dem Aufstehen vor einer Leiche gestanden habe. Wenn ich nachts über meine eigenen inneren Leichen gestolpert bin. Oder wenn ich mit einem Kollegen im Bett war, mit dem ich auf keinen Fall noch mal hätte ins Bett gehen sollen.

Gegen sieben hab ich mich beim Inceman rausgeschlichen, bin eine Weile hilflos durch Altona geschlingert, bis ich unten am Wasser gelandet bin. Am Dockland hab ich dann die Fähre genommen und bin zu den Landungsbrücken gefahren. War kein Mensch auf der Fähre. Nur der Käpt’n und ich. War genau richtig.

Jetzt stehe ich vor Carlas Tür, rauche Zigaretten und warte auf sie. Es ist fünf vor acht, da hinten kommt meine Freundin auch schon, sie biegt aus der Rambachstraße in die Dietmar-Koel-Straße ein. Sie hat lustige Fellstiefeletten an den Füßen, einen Mantel mit Pelzkragen überm Kleid und einen dicken Wollschal um den Kopf gewickelt. Sie lächelt mich liebevoll an, als sie mich da vor ihrer Tür stehen sieht.

»Was ist passiert?«, fragt sie und legt mir die Hand auf die Wange.

Sie weiß, wenn ich so früh hier bin, brauche ich ein Rettungsboot, warum auch immer.

»Ich war letzte Nacht nicht zu Hause«, sage ich. »Also, nach Hause kann ich ja sowieso nicht, weil da dieser Zombie aus Amerika rumhängt, aber ich war auch nicht bei Klatsche, da, wo ich eigentlich hingehöre …«

»Moment, der Reihe nach: Welcher Zombie?«

»Meine Mutter ist zu Besuch«, sage ich.

»Was? Und davon erzählst du mir nichts? Bist du irre? Seit wann ist sie da?«

»Seit Heiligabend, morgens«, sage ich.

»Wann haut sie wieder ab?«

»Keine Ahnung. Hoffentlich bald.«

»Warum hast du mir nicht gesagt, dass sie da ist?«

Carla nimmt mich in den Arm, ich bin steif wie eine Portion Stockfisch.

»Ich kann da irgendwie nicht drüber reden«, sage ich. »Ich will einfach nur, dass sie wieder geht. Ich hab das Gefühl, wenn ich niemandem von ihr erzähle, ist sie auch nicht wirklich da. Dann sitzt sie vielleicht in meiner Wohnung, aber in mein Leben schafft sie’s nicht. Ist das vollkommen bescheuert?«

Carla schüttelt den Kopf.

»Nein«, sagt sie, »das ist nicht bescheuert. Das ist wahrscheinlich ganz gut so.«

Sie fummelt eine Zigarette aus ihrer Manteltasche, macht sie an, steckt sie sich in den Mund.

»Und jetzt weiter: Wo warst du, wenn du nicht zu Hause und nicht bei Klatsche warst?«

Sie hat einen Tonfall in der Stimme, als würde sie mit einer Siebenjährigen reden, die was zu beichten hat, und ja, exakt so fühle ich mich auch.

»Ich war bei meinem Kollegen.«

Ich krieg’s nicht so richtig über die Lippen. Ich krieg seinen Namen nicht über die Lippen. Als würde ich es dadurch noch ein bisschen rauszögern können. Als wäre es dadurch noch nicht passiert. Im Grunde mache ich es mit dem Inceman wie mit meiner Mutter: Ich mache Voodoo. Sprich es nicht aus, dann existiert es auch nicht. Es ist unglaublich albern.

»Du warst bei dem schicken Türken, oder?«

Ich kucke zu Boden, und sie zuckt mit den Schultern.



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